Archiv des Autors: JohFi

Licht und Schmerz

Nach einem intensiven Gespräch über Zen-Erfahrungen schrieb ich denn folgenden Text:



Als ob etwas angekommen ist,

durch die vielen Übungen,

das sich ehrlich aussetzen in neue Räume hinein,

durch engagiertes Handeln.

Als ob Licht durchdringt,

in mein Leben,

ganz nah.

Umwerfend, so erreicht sein zu können.

 

Trotz Schmerz und Leiden,

Licht auch in den Abschieden, den Belastungen, dem Unheilsamen.

Dem ist nicht zu entkommen, keine Flucht nötig,

Standhalten, manchmal aushalten,

einatmen, ausatmen,

dies ist der Ort der kleinen und großen Wandlungen.

 

Geöffnet,

mir selbst,

der Erde,

der Luft, dem Boden, dem Wasser, dem Gras, den Stimmen der Vögel,

der Öffentlichkeit, dem Gesellschaftlichen und Politischen,

oft mit aggressivem Stimmengewirr heute, den Kämpfen, den Kriegen im kleinen und großen.

Ein neuer Ort, ein Inmitten,

vorher noch nicht gekannt,

nicht mal erahnt.

 

Innehalten, Zwischenräume,

ein Ausweg aus dem Alten, Üblichen,

aus den Sackgassen.

Ein neuer Blickwinkel, ein Erwachen.

 

Die Leere,

viel leerer, nichtiger,

viel kleiner, größer, näher, konkreter,

viel intimer und alles übersteigend,

dies Herz,

viel geheimnisvoller,

viel, viel, viel,

Alles zerbricht, bricht auf,

ohne Bleibe, ohne Habe.

 

Freude,

ein Geschenk, doch zu pflegen.

Freude,

auch trotz des Todes, der Grausamkeit, der Verblendung,

dem suizidalen und egozentrischen Tun und deren Strukturen unserer Zeit.

Gerade da,

wird Freude und Friede noch wertvoller,

in zerbrechlichen Händen.

 

Nein,

Hass, Zorn,

nein, es gibt keinen Anlass, zerstörerisch radikal zu werden oder deren Gegenseite,

die Augen zu verschließen und zu verharren.

Dies sind Versuchungen.

Das Herz krümmt sich noch,

das scharfe Messer hat das Herz noch nicht durchdrungen.

Und wenn?

Der Schrei, das Weinen, der Todesschmerz,

die Qualen, so groß,

wir haben sie noch nicht gekannt.

Und doch

ist hier

der Keim

von Mitgefühl und Liebe.

 

Sichtbar

das Tragische, das Komische,

das Abgetrennte.

Manchmal ist es zum reinschlagen.

Nein,

wir würden uns nur selber

schlagen, verletzen, blutig machen.

Und ja,

in dieser tiefen Berührung und

dem Berührtwerden,

in dieser tiefen Bejahung,

da ist der Keim,

das Geheimnis von allem, was sich

in diesem konkreten, ganzen Moment

ins Leben wagen kann und möchte

und wofür es sich lohnt mutig zu leben,

ohne Pathos,

ganz nüchtern und klar,

und wofür auch immer

dankbar.

 

Zen und ziviler Ungehorsam

Ein Blog nach einem Berlin-Aufenthalt und vielen berührenden Gesprächen.

Ich denke an den Satz aus Homers Ilias: „Denn nun steht es allen fürwahr auf der Schärfe des Messers“. Wir geraten schneller in die verschiedenen Kipppunkte als zuvor gedacht. Kaum noch jemand würde den Folgen der Erderwärmung, des 6.Massensterbens wirklich widersprechen und viele würden zumindest zögerlich eingestehen, dass wir in unseren Land einen Lebensstil für normal halten, der drei Erden verbraucht. Und doch fliegt der Düsenjet der Zeit ungebremst mehr oder weniger in die gleiche Richtung wie bisher. Gleichen wir mittlerweile den Lemmingen, die sich in den Abgrund stürzen?

Erschüttert haben mich die Erfahrungen von Engagierten in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Feldern, wie groß der tatsächliche Widerstand und wie hoch die Ignoranz gegenüber wirklichen Veränderungen ist. Am deutlichsten erzählte jemand seine Erfahrung bei Sitzblockaden der „Letzten Generation“. Wenn Vorbeifahrende laut schreien: ihr sollt überfahren werden, vergast werden, ihr wollt mir wohl mein Auto wegnehmen. Mich irritieren Sätze führender Politiker, die sie als kriminell bezeichnen, in ihnen eine neue RAF sehen. Zündeln nicht sie mit dem Feuer? Ich kenne einige, die nach langer Zeit, viel Engagement und anderen Formen der Widerstandes zu diesem Mittel greifen. Ich halte sie für sehr bewusst, informiert, differenziert und mit hohem Verantwortungsbewusstsein.

Ich halte viele Formen der Letzten Generation für gerechtfertigt und finde, dass sie intuitiv den Finger in die Wunde legen, der Gesellschaft sogar einen Spiegel vorhalten. Daher fühle ich mich Ihnen verbunden. Und die starken Reaktionen sprechen genau dafür und entlarven die Kultur und den wahren Geist unserer Gesellschaft. Gleichen wir nun doch den Lemmingen, die sich in den Abgrund stürzen, Hauptsache ich kann mit meinem Auto, meinem Motorrad so fahren, wie ich will und meine Flugreisen werden mir nicht genommen?

Ich möchte dies nun gern aus einer Zen-Perspektive betrachten mit Hilfe einer Geschichte aus dem alten China:

Chen war eine Laiennonne, die weit herumkam und an viele Orte reiste….Nachdem sie die Erleuchtung erlangte, dichtete sie folgende Zeilen:

Ganz oben auf den Berghängen sehe ich nur alte Holzfäller.

Jeder hat den Geist des Messers und der Axt.

Wie können sie die Bergblumen sehen,

gespiegelt im Wasser – leuchtend, rot?

 

Und ergänzend dazu den Teil eines Koans, der nach dem Erwachen zur Leerheit und der Verbundenheit eingeführt wird:

Die Spitze der Wassernuss ist scharf, scharf, schärfer als eine Ahle.

Wenn wir den Zen-Weg gehen, sehen wir diese destruktive und leidende Welt heute so wie sie ist, wer den Zen-Weg geht, sollte sogar mitten drin sein. Und gleichzeitig sind wir erfüllt von der Schönheit, dem Geheimnis und einer tiefen Bejahung des Atems des Lebens. Und dann setzen wir uns dorthin, wo es nötig ist, um so manche Luft- und Geistesblasen platzen zu lassen.

Samen des Friedens

Ein fürchterlicher Krieg wütet in der Ukraine. Sinnlose Zerstörungen des Lebens. Und an vielen anderen Orten der Welt auch…zunehmend. Wie viele Menschen und Tiere leiden darunter?  Wie viele werden noch getötet? Wie viele werden noch traumatisiert? Wie viele Menschen weltweit werden noch zur Flucht gezwungen? Und auch der Krieg gegen die Erde geht weiter, persönlich, systemisch ….

Können wir Samen sähen? Samen des Friedens? Im umfassenden Sinne wie der ursprüngliche Sinn von Shalom? Ein kleiner Samen sind unsere Friedensmeditationen, die wir seit Beginn des Krieges abhalten und weiter abhalten werden. Und an anderen Orten wird das auch getan. 

Letzthin war eine Ukrainerin dabei, aus Kiew. Kleine zarte Verbindungen. Wir sollten nicht aufgeben, gerade jetzt, wo die Aufmerksamkeit nachlässt. 

Ich glaube daran, in der Zerstörung, in den Brüchen, im Abgrund, keimt neues Leben auf. Manchmal erfahre ich das, bei anderen, bei mir. 

Das Alte gilt nicht mehr

In dem Roman „Die Telefonzelle am Ende der Welt“ von Laura Messina steht im Mittelpunkt eine Telefonzelle auf einem Hügel, am Rande des Meeres. Sie hat keinen Anschluss, doch Überlebende eines Tsunami gehen dorthin, um mit ihren verstorbenen Angehörigen zu sprechen. Es entsteht dort ein Raum der Intimität. Der Wind trägt das Gesprochene fort und es ist, als ob der Wind eine Antwort zurückbringt. Über diese Telefonzelle entsteht eine Liebesgeschichte zweier Menschen, die Partner, Kind, Mutter in dem Tsunami verloren haben. Langsam, ganz langsam kommen sie wieder im Leben an und neues Leben entsteht.

Der brutale Angriffskrieg fegt wie ein Tsunami durch die Ukraine, Russland, Europa, die Welt…. Leben werden vernichtet, Wunden tief gerissen. Bisherige Gewissheiten sind fraglich, Modelle über die Wirklichkeit lösen sich auf. Da und dort mag uns Verdrängung und Verleugnung noch zu schützen und auch in diesen Zeiten ist die Versuchung groß, weiterhin der westlichen Dekadenz und Doppelmoral zu frönen oder auf dem Markt der Deutungen halbgar kundzutun, was richtig ist.

Dieser Tage höre ich immer wieder: „alles, woran ich geglaubt habe ist zerbrochen“. Diese Erschütterung, sofern sie echt und gefühlt ist, empfinde ich um vieles ehrlicher. Und ich finde das Bild von der Telefonzelle tröstlich. In den Wind dieser Tage zu hören. Langsam, ganz langsam, doch unaufhörlich. Bis…..

Wird er auch uns zu einem viel tieferen Sinn für die Zusammenhänge des Friedens erwachen lassen? Zu einer “Kultur des Friedens“, die im Großen und im Kleinen heraustritt aus dem „Krieg gegen die Erde“ (Guterrez), den größenwahnsinnigen imperialen Kriegen um Macht und Ressourcen, den Kriegen, die diese gemeinsame Erde neu nach ihren Eigeninteressen vermessen möchten und selbst die Leichen noch verminen. Einer „Kultur des Friedens“, die widerstandsfähig ist und alles dafür tut, um Leben zu schützen und Kriege zu beenden. Einer „Kultur des Friedens“, die in einem inneren Frieden gründet, die Ehrfurcht vor allem Leben hat und das Leben als gemeinsam geteiltes liebt?

Weltklimakonferenz

Im Daodejing Nr. 8 ist zu lesen: „Es ist gut, das Herz tiefgründig zu bewahren; es ist gut, in Worten glaubhaft zu sein; es ist gut, im Tun die Aufgaben zu erfüllen; es ist gut, zum angemessenen Zeitpunkt zu handeln“ 

Momentan tagt in Glasgow die Weltklimakonferenz. Es geht um die Zukunft der Erde. Und es steht nicht gut.  Auch wenn die meisten nicht nach Glasgow fahren, können wir auch von zuhause aus diesen Prozess unterstützen, auch wenn das noch so klein ist: durch Meditation, durch Gespräche, durch unser Verhalten, durch unseren Lebensstil.

Dass ein Netz entstehen, wie das Netz der Indra, in dem alle Perlen verbunden sind und leuchten und ihre Wirksamkeit entfalten.