Zen und ziviler Ungehorsam

Ein Blog nach einem Berlin-Aufenthalt und vielen berührenden Gesprächen.

Ich denke an den Satz aus Homers Ilias: „Denn nun steht es allen fürwahr auf der Schärfe des Messers“. Wir geraten schneller in die verschiedenen Kipppunkte als zuvor gedacht. Kaum noch jemand würde den Folgen der Erderwärmung, des 6.Massensterbens wirklich widersprechen und viele würden zumindest zögerlich eingestehen, dass wir in unseren Land einen Lebensstil für normal halten, der drei Erden verbraucht. Und doch fliegt der Düsenjet der Zeit ungebremst mehr oder weniger in die gleiche Richtung wie bisher. Gleichen wir mittlerweile den Lemmingen, die sich in den Abgrund stürzen?

Erschüttert haben mich die Erfahrungen von Engagierten in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Feldern, wie groß der tatsächliche Widerstand und wie hoch die Ignoranz gegenüber wirklichen Veränderungen ist. Am deutlichsten erzählte jemand seine Erfahrung bei Sitzblockaden der „Letzten Generation“. Wenn Vorbeifahrende laut schreien: ihr sollt überfahren werden, vergast werden, ihr wollt mir wohl mein Auto wegnehmen. Mich irritieren Sätze führender Politiker, die sie als kriminell bezeichnen, in ihnen eine neue RAF sehen. Zündeln nicht sie mit dem Feuer? Ich kenne einige, die nach langer Zeit, viel Engagement und anderen Formen der Widerstandes zu diesem Mittel greifen. Ich halte sie für sehr bewusst, informiert, differenziert und mit hohem Verantwortungsbewusstsein.

Ich halte viele Formen der Letzten Generation für gerechtfertigt und finde, dass sie intuitiv den Finger in die Wunde legen, der Gesellschaft sogar einen Spiegel vorhalten. Daher fühle ich mich Ihnen verbunden. Und die starken Reaktionen sprechen genau dafür und entlarven die Kultur und den wahren Geist unserer Gesellschaft. Gleichen wir nun doch den Lemmingen, die sich in den Abgrund stürzen, Hauptsache ich kann mit meinem Auto, meinem Motorrad so fahren, wie ich will und meine Flugreisen werden mir nicht genommen?

Ich möchte dies nun gern aus einer Zen-Perspektive betrachten mit Hilfe einer Geschichte aus dem alten China:

Chen war eine Laiennonne, die weit herumkam und an viele Orte reiste….Nachdem sie die Erleuchtung erlangte, dichtete sie folgende Zeilen:

Ganz oben auf den Berghängen sehe ich nur alte Holzfäller.

Jeder hat den Geist des Messers und der Axt.

Wie können sie die Bergblumen sehen,

gespiegelt im Wasser – leuchtend, rot?

 

Und ergänzend dazu den Teil eines Koans, der nach dem Erwachen zur Leerheit und der Verbundenheit eingeführt wird:

Die Spitze der Wassernuss ist scharf, scharf, schärfer als eine Ahle.

Wenn wir den Zen-Weg gehen, sehen wir diese destruktive und leidende Welt heute so wie sie ist, wer den Zen-Weg geht, sollte sogar mitten drin sein. Und gleichzeitig sind wir erfüllt von der Schönheit, dem Geheimnis und einer tiefen Bejahung des Atems des Lebens. Und dann setzen wir uns dorthin, wo es nötig ist, um so manche Luft- und Geistesblasen platzen zu lassen.